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Corvette ZR-1 trifft C8 Z06: V8-Duell der Saugmonster
Was willkürlich aussieht, ist ein Treffen der beiden einzigen Corvette mit Vierventil-V8 und vier oben liegenden Nockenwellen. C4 ZR-1 gegen C8 Z06.
Bild: Tobias Kempe / AUTO BILD
von
- Alexander Bernt
24. März 2024
Den Spruch "
Is' was, Doc?" musste sich Elmer Fudd unzählige Male anhören, nur um im Anschluss vom gewieften Hasen Bugs Bunny an der Nase herumgeführt zu werden. So ähnlich beginnt auch die Geschichte dieses Helden.
Anfang der 80er entwickelte GM mit großem Aufwand eine vierte Corvette-Generation. Die alte
C3war eine Konstruktion aus den 60ern und basierte zum Teil noch auf der zweiten Generation. Etwas Neues musste also her, zumal
Chevroletzu Zeiten der Ölkrise die Preise für Amerikas Sportwagen massiv erhöht hatte.
Den Verkaufszahlen hatte es nicht geschadet, also war der finanzielle Spielraum vorhanden, um bei der
C4in die Vollen zu gehen: Für das Fahrwerk wurden eine Doppelquerlenker-Konstruktion vorn und eine Fünflenker-Hinterachse abgesegnet, was bei den Entwicklungsteams freudiges Jauchzen und bei ersten Testern große Augen verursachte – obwohl die traditionellen Querblattfedern erhalten blieben.
Viele Fahrwerkskomponenten waren zudem aus Aluminium gefertigt, was die C4 erstaunlich leicht und handlich machte. Die Fiberglas-Karosserie war extrem flach und linear gezeichnet, die Clamshell-Haube ein Statement. Nur was sich darunter befand, hatte eher die Agilität eines Familienkombis mit der damals üblichen Holzbeplankung in sich.
Der Crossfire-L83 wurde für das erste Baujahr von der C3 übernommen, doch auch der nachfolgende L98-Motor mit Saugrohreinspritzung war nicht als Temperamentsbündel verschrien. Das, kombiniert mit drohenden Hightech-Supercars aus Japan und Chryslers Ankündigung der Dodge Viper, hieß: Die C4 brauchte vor allem mehr Krawall unter der Haube, um gegen genau jene automobilen Elmer Fudds nicht vor die sprichwörtliche Flinte zu geraten.
5,7 Liter, acht Zylinder und 32 Ventile
Da traf es sich gut, dass GM 1986 die Firma
Lotusübernommen hatte, denn der konservativ konstruierte Smallblock-V8 war nur mit einem Turbolader auf die angestrebten 400 PS zu bringen. Das war den Bossen dann doch zu heikel …
Also gab man in Hethel einen Hochdrehzahl-Sauger in Auftrag, und was sollen wir sagen: Lotus hat sich nicht lumpen lassen und mit dem 5,7-Liter-DOHC (Double Overhead Camshaft) ein Meisterwerk der Motorentechnik entworfen. Vier oben liegende Nockenwellen, 32 Ventile und 16 Einspritzdüsen, von denen sich acht über einen zweiten Schlüssel im Armaturenträger scharf schalten lassen. Dadurch bekommt der LT5 erst seine ihm so typische Drehfreude.
Das Interessante ist: Befindet sich die ZR-1 nicht im "Full engine power"-Modus, verhält sie sich charakterlich wie ein lahmer Pushrod-V8 – über 3000 Touren ist nicht viel los. Wird der Zusatzschlüssel jedoch nach rechts gedreht, entfesselt der Fahrer ein Biest der ganz anderen Sorte. Nun geht es oberhalb von 3000 Touren erst so richtig voran, der Motor schreit förmlich nach Drehzahlen, und diese Drehzahlen schreien einem wiederum ein famoses Klangkonzert aus dem klassischen US-Beat entgegen, nur eben eine Oktave weiter oben als gewohnt.
Die sechs Gänge des erstaunlich präzise geführten ZF-Getriebes wollen mit dem ganzen Körper durchgerissen werden und sind ein immenser Zugewinn im Vergleich zum alten 4+3-Schalter der Vorfacelift-Corvette. Ein nerviges Detail: Chevrolet hat ein Spritspar-Feature integriert – Ende der 80er; bei einem Supersportwagen … An dieser Stelle würde ich gern den Facepalm-Emoji einbauen, aber da hat vermutlich das Lektorat etwas dagegen.
Leuchtet der "
Oneto four"-Schalthinweis im Kombiinstrument, ist der zweite Gang gesperrt, und die ZR-1 leitet den Schaltvorgang direkt in den vierten weiter. Das lässt natürlich die Drehzahl in den Keller rauschen und ist gerade am Berg völlig unsinnig. In den USA gibt es zwar Kits, um das System auszuhebeln, doch wer nicht an der Originalität herumpfuschen will, für den bleiben nur zwei Möglichkeiten: Den ersten Gang weit ausdrehen, denn ab einer bestimmten Drehzahl verschwindet der Modus, oder vom ersten direkt in den dritten Gang schalten. Denn der ist nicht gesperrt, und hier ist der Drehzahlsprung nicht ganz so unsinnig.
Und noch ein Tipp an C4-Fahrer, falls irgendwelche Ökos euch ein schlechtes Gewissen machen wollen: Die ZR-1 hat sogar eine Schaltempfehlungsanzeige – ist im Grunde also ein Spritspar-Vorreiter. Kann man wunderbar als eigene Rechtfertigung nehmen, falls man eine nötig hat, aber Chevrolet hat das nicht wegen der Umwelt gemacht, schließlich befinden wir uns entwicklungsseitig immer noch Ende der 80er. Beides lief unter dem CAGS-System (Computer Aided Gear Selection) und wurde entwickelt, um die damals schon üblichen Strafsteuern für Spritfresser zu vermeiden.
Auch im Innenraum ist die C4 ein perfektes Beispiel an 90er-Jahre-Coolness, vor allem mit dem neuen Interieur, das mit der ZR-1 eingeführt wurde und 1991 auch in der Basis-Corvette zum Einsatz kam. Die rundliche Mittelkonsole schmiegt sich links und rechts um das neue Airbag-Lenkrad herum und fasst den Fahrer beinahe so nachdrücklich ein wie das neue Interieur in der
C8.
Zeitreise im gut erhaltenen V8-Cabrio
Unser Testwagen hat einen begutachteten Gesamtzustand 2+, wobei die schreiend rote Kabine sogar noch besser erhalten ist als der Rest. Seinerzeit war vor allem der Innenraum ein Hauptkritikpunkt der Tester, doch mit der heutigen Brille betrachtet, erscheint die C4 um Welten moderner als ein 964/993, und auch die Materialien fassen sich top an. Fast alle Oberflächen sind hinterschäumt, und das Leder scheint einem charakterstark knarzend unzählige Geschichten aus der guten Zeit erzählen zu wollen, als Erstbesitzer Bob in Nevada reihenweise Japan-Coupés und 911er verblasen hat.
Eine C5 ist innen über die Jahre designseitig viel schlechter gealtert, und die
C6ist eine deutlich schlimmere Plastikwüste. Dazu gesellen sich kleine, aber liebevolle Details wie die Corvette-Schriftzüge im Horizontal-Element unter der Kopfstütze oder die beiden gar nicht so geheimen Geheimfächer hinter den vielfach elektrisch einstellbaren und hervorragend seitenhaltenden Sitzen. Im linken dieser Fächer sitzt ab C4-Baujahr 1986 übrigens die ABS-Elektronik, nur bei der ZR-1 nicht. Hier sind beide Fächer nutzbar.
Ein Feature, das die 90er ZR-1 nicht hatte: die ab 1991 serienmäßige Traktionskontrolle. Deren Taste sitzt links vom Lenkrad über dem Drehrad für die wohl coolsten Pop-up-Scheinwerfer aller Zeiten. Sie klappen nicht auf, sondern drehen sich um 162,5 Grad nach hinten, wodurch die Scheinwerfer zum Vorschein kommen. Sie können aber auch zum Problem werden, denn über die Jahre werden die Plastikmitnehmer in der Mechanik aufgerieben und zerbröseln wortwörtlich – es gibt aber gut verfügbar Nachrüstsätze aus Messing, die sich recht einfach in ein paar Stunden installieren lassen.
Warum wurden insgesamt nur 6939 ZR-1 gebaut? 1990 stand sie für 58.995 Dollar in der Preisliste. Das ZR-1-Paket machte davon über 27.000 Dollar aus. Und ab 1991 war die ZR-1 kaum noch von einer normalen
Corvettezu unterscheiden, kostete aber 85 Prozent mehr (bei uns anfangs knapp unter 180.000 Mark). Als 1992 der neue, 300 PS starke LT1 den lahmen L98 ablöste, hatte die ZR-1 kaum noch Argumente auf ihrer Seite (man munkelt, die Smallblock-Entwickler waren in ihrer Ehre gekränkt, dass GM den Performance-Motor zu Lotus ausgelagert hatte). So brachte Chevrolet in den letzten vier Baujahren (1992 bis 1995) keine 2000 Autos mehr unter die Leute.
Kraftvolle Moderne mit 5,5-Liter-Sauger
Dieser interne Königsmord hatte auch zur Folge, dass es bis ins Jahr 2022 dauerte, bis Chevrolet wieder einen modernen
V8in die Corvette steckte. Hinter dem Fahrersitz der C8 Z06 sitzt ein 5,5-Liter-V8, frei saugend und mit flacher Motorsport-Kurbelwelle. Dazu Trockensumpfschmierung und allerhand andere Motorsport-Ingredienzen, fertig ist das Performance-Modell. Dennoch müssen wir uns in Europa ein bisschen mit der B-Version begnügen, zumindest was Sound und Leistung angeht. Die Euro-Z06 darf nämlich nicht die krawallige US-Auspuffversion mit den vier mittig platzierten Rohren tragen – Lärmschutz, Sie wissen schon …
Dafür haben ihr die hiesigen Entwickler die Performance-Variante der Vierrohranlage verpasst, wie sie in den USA optional in der Stingray angeboten wird. Mit viel Gedämme und Ottopartikelfiltration bekam die Z06 schließlich den EU-Segen – verlor dabei aber 35 PS auf nun deren 645. Diese liegen allerdings bei sage und schreibe 8400 Touren an, das Drehmoment von maximal 595 Nm (keine 100 Nm mehr als in der ZR-1) bei 6300, und erst bei 8600 Umdrehungen ist das Drehzahllimit erreicht.
Unser Testwagen kommt auf Michelin Pilot Sport 4 S und 20/21 Zoll großen Alu-Schmiederädern angerollt. Nicht nur bei der Zollzahl, sondern natürlich auch der Breite herrscht Mischbereifung: 275er vorn, fette 345er an der Hinterachse. Und schon linsen wir wieder zum Klassiker hinüber, denn auch sie rollt mischbereift auf den Hof. Vorn drehen sich ebenfalls 275er, am Heck für die Zeit alles überragende 315er-Walzen.
Mit ein Grund übrigens, warum heute viele ZR-1-Eigner verzweifeln: In Europa würde allein ein Reifensatz um die 2500 Euro kosten – wenn es in der Alten Welt einen Hersteller gäbe, der einen anbietet. Was aktuell nicht der Fall ist. 315er-Hinterreifen gibt es zwar wie Sand am Meer – aber nicht in 17 Zoll. Unser Testauto rollt dennoch auf fast neuen Toyos. Für 700 Dollar in Kanada gekauft und noch mal für das gleiche Geld importiert, verzollt und per Spedition angeliefert. Uff!
In 0 auf 100 km/h in 3,2 Sekunden
Magnetische Dämpfer der vierten Generation sind an der C8 Z06 ebenso Serie wie Sechskolben-Brembo-Stopper. Auch in diesem Bereich war die C4 Vorreiter. Das adaptive Bilstein-Fahrwerk ließ sich über einen Drehschalter in der Mittelkonsole zwischen Tour, Sport und Performance schalten und war hauptverantwortlich für die überragende Querdynamik. Die Bremsen waren für die Zeit auf dem Stand der Technik, fielen aber im Vergleich zum Rest ein wenig ab. Carbon-Keramik-Scheiben aus dem Hause Brembo, wie an unserer Z06 montiert, waren Anfang der 90er natürlich noch nicht in Sicht.
Karosserieseitig fällt an der C8 sofort die veränderte Front mit größeren Lufteinlässen auf. Auch an der Flanke schaufeln neu designte Einlässe dem 5,5-Liter mehr Frischluft zu. Das Heck ist – noch eine Parallele zur ZR-1 – knapp zehn Zentimeter breiter geraten, optional gäbe es noch Flics, Spoiler oder Kohlefaserfelgen, aber wir können in unserem brüllenden Sonnenanbeter getrost auf solche Spielereien verzichten.
In ein Cabrio steigt es sich ohnehin entspannter ein als in das Coupé – vorausgesetzt das Dach ist schon über dem Triebwerk verstaut. Übrigens ist das ein Grund, warum man es in der C8 bei Saugmotoren belassen hat – die bauen flacher, und dadurch war die Cabrio-Entwicklung rentabler. So erzählte es uns jedenfalls Chefentwickler Tadge Juechter – und der muss es ja wissen.
Fahrwerksseitig verschlingt die Z06 die verwobenen Kurven hier im südlichen Mittelfranken mit einer Leichtigkeit, man könnte meinen, die Radien sind für sie nur ein theoretisches Konstrukt. Praktisch gibt es auf der Landstraße nur wenige Kurven, die man heftig anbremsen müsste. Alles andere geht mit ein paar Downshift-Klicks an den nicht ganz perfekt rückmeldenden Paddeln. Dafür kommuniziert die Lenkung überragend, an die unkonventionelle Form des Volants müssen wir uns aber immer noch gewöhnen – vor allem, nachdem wir aus dem Klassiker mit seinem großen, deutlich länger übersetzten Richtungsgeber umgestiegen sind.
Heutzutage mögen C4 ZR-1 und C8 Z06 ihren Piloten zwar eine komplett unterschiedliche Fahrcharakteristik vermitteln, zu ihrer Zeit waren sie jedoch exakt das Gleiche: ein längs- und querdynamisches Schreckgespenst, das die meisten teureren Supercars locker in die Tasche steckt(e).
Fazit
von
Wir sind uns nicht sicher, was beeindruckender ist: dass Chevrolet Anfang der 90er dieses Vierventil-Juwel gebaut hat oder dass es bis heute gebraucht hat, um wieder einen modernen Performance-V8 zu entwickeln.
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